Samstag, 8. September 2007

Lieber Herr X aus Y!

Wer jemals mit einem Schwingschleifer gearbeitet hat, kann sich bestimmt vorstellen, dass mein Schriftbild jetzt eher etwa so aussehen müsste:




Wie gut, dass die Tastatur dieses ätzende Nachvibrieren nicht überträgt :-)

Also, lieber Herr X!

Nach wie vor bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir diesen wunderschönen Uralt-Küchenschrank zu einem absolut günstigen Preis überlassen haben. Wären Sie nicht mein Vormieter gewesen, und hätte der Schrank deshalb nicht schon bei meinem Einzug in meiner Küche gestanden, hätte ich auch bei einem noch so günstigen Preis wohl doch eher vom Kauf abgesehen - Ihre Farbgestaltung hat mir nämlich so ganz und garnicht gefallen.

So aber, nachdem ich bereits fünf Jahre lang mit dem Schrank die Wohnung geteilt hatte, wollte ich ihn dann doch für mich behalten. Und ich nahm mir vor, dem guten Stück eigenhändig wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Werter Herr X, was um alles in der Welt hat Sie dazu gebracht, diesen wundervollen Massivholz-Schrank mit einer dunkelblauen Lasurfarbe zu verunstalten? Dass diese Farbe wirklich blau ist, habe ich erst beim ersten Entfernungsversuch bemerkt, denn zusammen mit der noch durchschimmernden Naturholzfarbe sieht der Schrank je nach Lichteinfall eher dunkelgrün aus (was das Ganze auch nicht besser macht!).

"Das bisschen Farbe haste schnell abgebeizt!" Kein Problem. Dachte ich. Doch zu meinem Entsetzen musste ich schnell feststellen, dass die Sache mit der Beize keine gute Idee war. Das alte Holz (Fichte, übrigens) wird von der Beize quasi an der Oberfläche aufgeweicht, und die angelöste Farbe zieht in die Holzfasern. Man müsste dann komplett die oberste Holzschicht abschleifen, wenn man mit dem Beizen fertig ist. Abgelehnt. Genauso wie das Ablösen der Farbe mittels Heißluft. Einmal zu lange auf eine Stelle gehalten, sofort gibt es dunkle Flecken. Bleibt also nur Abschleifen.

Und das, mein lieber Herr X, das ist (man entschuldige meine Wortwahl) der größte Scheiß-Job aller Zeiten! Höllenlärm, Staub ohne Ende und dieses elende Nachvibrieren der Hände. Und ich habe während der Arbeiten mehr als einmal an Sie gedacht, und das bestimmt nicht freundlich... Das Ergebnis allerdings, das kann sich sehen lassen. Das folgende Bild verdeutlicht den Wahnsinns-Unterschied, links die Schublade im "blauen" Zustand, in der Mitte das blank geschliffene Holz, rechts das Endergebnis mit poliertem Griff und gewachstem Holz.



Ich bin froh, dass ich mir zuerst den unteren Teil des Schrankes vorgenommen habe - der hat nicht ganz so viele Stellen, die mit dem Schwingschleifer nicht zu erreichen sind. Aber auch so hatte ich da genug von Hand zu schleifen. Inzwischen bin ich mit dem Unterteil fast fertig und habe, was den Vitrinenaufsatz angeht, vorerst das Handtuch geworfen. Der Schrank steht nun komplett aufgebaut in meinem Wohnzimmer, mit weiterhin blau-grünem Oberteil. Neuere Fotos gibt es noch nicht, aber das ist auch nicht so wichtig.

Ich erfreue mich jeden Tag an dem Anblick des nun wieder sichtbaren Naturholzes mit seiner wunderschönen Maserung. Und ich wünsche mir inständig, dass Sie, Herr X, nie wieder ein antikes Möbelstück in die Finger bekommen, das Sie dann derart verhunzen können...

Zähneknirschend, Ihr Zammelchen.

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